Der Weg zu echten Zwiegesprächen in der Familie

Miteinander reden statt belehren

Der Weg zu echten Zwiegesprächen in der Familie

Zwiegespräche sind eine Gesprächsform, die Missverständnisse verringern soll. Psychiater, Psychoanalytiker und Autor Dr. Hans-Joachim Maaz erklärt im Interview, wie Eltern Zwiegespräche bei ihren Kindern anwenden können.

Michael Lukas Moeller entwickelte eine strukturierte Gesprächsform, die auf Offenheit, Ehrlichkeit und gegenseitigem Zuhören basiert. Als deutscher Psychoanalytiker und Paartherapeut schuf er diese Methode, um die Kommunikation zu stärken und die emotionale Nähe zu fördern. Das sogenannte Zwiegespräch folgt klaren Grundprinzipien: Es findet regelmäßig statt, beispielsweise einmal pro Woche, und hat eine feste Dauer.

Beide Teilnehmer erhalten gleichmäßige Redeanteile, indem sie abwechselnd sprechen, zum Beispiel jeweils 15 Minuten lang, ohne dass der andere unterbricht oder kommentiert. Dabei geht es nicht um Diskussionen oder das Lösen von Problemen, sondern darum, die eigenen Gefühle, Gedanken und Wahrnehmungen mitzuteilen. Jeder spricht nur über sich selbst in Form von Ich-Botschaften und vermeidet es, den anderen zu kritisieren oder Vorwürfe zu machen. Der Zuhörende nimmt das Gesagte an, ohne es zu bewerten oder zu korrigieren. Ziel dieser Methode ist es, durch regelmäßige Selbstoffenbarung und empathisches Zuhören eine tiefere emotionale Verbindung zwischen den Teilnehmern herzustellen und Missverständnisse zu verringern.

Dr. Hans-Joachim Maaz ist ein deutscher Psychiater, Psychoanalytiker und Autor. Er wurde 1943 in Deutschland geboren und war langjährig als Chefarzt der Klinik für Psychotherapie und Psychosomatik am Diakoniewerk Halle tätig. Im Interview berichtet er darüber, wie Eltern Zwiegespräche mit ihren Kindern führen können.

Ab welchem Alter kann man Zwiegespräche mit Kindern führen?

Sobald Kinder Fragen stellen oder sich mitteilen wollen, kann man das bereits früh einüben. Wenn Eltern dies von Anfang an vorleben würden – nicht bewusst als Lehrer, sondern ganz selbstverständlich – wäre viel gewonnen. Oft neigen Erwachsene dazu, Kinder zu belehren und nehmen eher eine autoritäre Haltung ein, statt von Beginn an in Beziehung zu gehen. Dabei könnte man Redewendungen wählen wie: „Das gefällt mir“, „Das gefällt mir nicht“ oder „Darüber mache ich mir Sorgen“. So vermeidet man, dem Kind zu sagen, was es tun soll, und teilt stattdessen mit, wie es einem selbst mit der Situation geht. Auf diese Weise würde man ganz natürlich einüben, dass das Kind lernt, in diesem Zwiegesprächsmodus zu kommunizieren.

Kann man das auch üben?

Ja, es wäre sinnvoll, das von Anfang an zu üben und als wertvolle Form der Kommunikation zu fördern. Am besten wäre es sogar, wenn Zwiegespräche als eigenes Schulfach unterrichtet würden.

Wie kann man Zwiegespräche völlig neutral betrachten?

Es ist leider häufig so, dass Menschen vieles auf sich selbst beziehen, besonders das Negative: „Ich bin nicht richtig“, „Ich komme nicht richtig an“. Das hat oft mit frühen Erfahrungen zu tun. Viele Menschen haben sich als Kinder nicht so bestätigt und gewollt gefühlt, wie sie es gebraucht hätten. Das ist eher der Durchschnitt. Wenn man Zwiegespräche lernt, kann man trainieren, nicht alles auf sich zu beziehen, sondern einfach nur festzustellen: „Aha, so denkt der andere.“ Es geht darum, die Aussagen nicht persönlich zu nehmen und auch selbst so zu kommunizieren, dass man keine versteckten Erwartungen sendet. Oft steckt in Äußerungen indirekt der Appell: „Hilf mir, versteh mich“, anstatt dies klar und direkt zu sagen.

Wie kann ich zum Zwiegespräch motivieren?

Ein gewisser Einfluss ist nötig. Wenn Sie jemand sind, der Zwiegespräche schätzt oder sie für sinnvoll hält, und Sie mit Menschen zu tun haben, die damit noch keine Erfahrung haben, müssen Sie diese zunächst informieren. Daraus entsteht dann eine Auseinandersetzung über die Sache selbst. Das bleibt nicht aus, wenn man mit Menschen sprechen möchte, die noch nicht wissen, wie Zwiegespräche funktionieren. Man kann aufklären und informieren.

Wie ist es möglich, mit erwachsenen Kindern ein Zwiegespräch zu führen, ohne dass die Verletzungen aus der Vergangenheit zu sehr belasten?

In einer Therapie darf man auch über alte Verletzungen sprechen. Da kann man über Eltern, Tanten, Onkel schimpfen und traurig sein. Aber das sollte nicht eins zu eins in die Beziehung übertragen werden. Man kann zum Beispiel sagen: „Ich habe gelitten, es hat mich verletzt“, statt vorwurfsvoll zu sagen: „Du hast mich ständig verletzt.“ Denn was soll der andere dann tun? Er fühlt sich angegriffen, wird sich vermutlich verteidigen und hat keine Chance, selbst zu reflektieren, ob an dem Vorwurf etwas dran ist. Wenn man es offen lässt, etwa sagt: „Ich habe mich so gefühlt“, und die Kommunikation wohlwollend bleibt, kann der Gesprächspartner in Ruhe überlegen: Stimmt das? Habe ich vielleicht sogar verletzen wollen? Das ist die Kunst der Kommunikation unter Erwachsenen: Bei einem Vorwurf herauszufinden, ob er berechtigt ist oder eher das Problem des anderen widerspiegelt. Es können die befreiende Entlastung der persönlichen Mitteilung und des guten Gefühls , daß man verstehen will und verstanden werden kann, hervorgehoben werden.

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