Weihnachtsgeschichte in fünf Teilen

Wer glaubt noch an den Weihnachtsmann?

Zur Adventszeit gehört auch eine Weihnachtsgeschichte, die garantiert jedes Familienmitglied in ihren Bann zieht. Hier finden Sie eine fantasievolle Geschichte, die Sie Ihren Kindern bei Kakao und Plätzchen vorlesen können.

Von Nicole Bauch und Angelina Kalden


Teil 1: Eine unvorhergesehene Begegnung

Es ist mal wieder so weit, Erster Advent. Ein kleiner Schauder fährt mir über den Rücken. Wie kalt es doch in den letzten Wochen geworden ist, denke ich mir, und schaue aus dem Fenster in das Schneegestöber. Weihnachten steht auch bald wieder vor der Tür und ich muss noch so viel erledigen. Ich habe noch keine Geschenke für Anna und die Kinder. Felix wollte doch unbedingt dieses große Feuerwehrauto aus dem Spielzeuggeschäft um die Ecke und Lisa die sprechende Puppe mit den roten Zöpfen. Ich atme tief durch. Warum gibt es den Weihnachtsmann nur nicht? Der könnte mir helfen, dann müsste ich mich nicht selbst um alle Geschenke kümmern.

Auf einmal senkt sich ein dunkler Schatten über die Straße und mir wird ganz mulmig zumute. Was mag das wohl sein? Es klopft, doch ich reagiere nicht. Anna hat schließlich einen Schlüssel, da muss ich nicht extra aufstehen. Es klopft ein zweites Mal, diesmal stärker. Jetzt reicht es mir, ich gehe zur Tür und will schon sagen: „Na, mal wieder den Schlüssel vergessen?“ Doch als ich sehe, wer da vor meiner Tür steht, bin ich völlig überrascht.

Vor mir steht ein großer, bärtiger Mann mit einem roten Mantel und hinter ihm ein Schlitten mit Rentieren. Mir wird ganz komisch. „Träume ich? Es ist doch noch nicht Weihnachten und die Weihnachtsmänner vermieten sie eine Straße weiter.“ Er schaut mich an. „Du bist doch Tom, oder?“ Meine Augen werden immer größer. „Schon, aber was willst du von mir? Dich gibt’s doch gar nicht!“ „Und wie es mich gibt!  Immerhin hast du mich ja auch gerufen“, antwortet dieser. „Hab ich doch gar nicht!“, protestiere ich. „Hast du dich nicht gerade gefragt, warum es mich nicht gibt? Diese Frage höre ich immer wieder und genau deshalb bin ich hier. Wieso glaubt denn heutzutage keiner mehr an mich?“, grummelt er während er es sich in meinem Lieblingssessel bequem macht.


Die alles entscheidende Frage

Ich schüttle fassungslos den Kopf. „Das glaube ich nicht! Du kannst unmöglich der Weihnachtsmann sein. An den glaube ich schon seit Jahren nicht mehr. Und das ist in meinem Alter auch besser so.“ Der Bärtige stöhnt auf: „Ich weiß, ich weiß, viele Menschen haben den Glauben an mich verloren, weil ich einfach nicht in ihr realistisches Weltbild passe.“ Ich tippe nervös von einem Fuß auf den anderen. „Und warum soll ich dir glauben, dass du der Weihnachtsmann bist?“ „Frag mich einfach irgendwas.“ „Wo wohnst du?“ Er lacht. „Am Nordpol natürlich, aber ich habe auch ganz viele andere Adressen, unter denen man mich erreichen kann.“

Das war ja auch eine leichte Frage. Jeder weiß, dass der angebliche Weihnachtsmann am Nordpol wohnt. Ich glaube ihm noch nicht und formuliere eine schwierigere Frage: „Seit wann glaube ich nicht mehr an dich?“ Ich wundere mich, als mir der Weihnachtsmann lachend antwortet: „Na, diese Frage ist doch genauso leicht wie die erste. Damals warst du ein achtjähriger Bub, da hast du mir so einen schönen Wunschzettel geschrieben und ich war traurig, dass ich dir deinen wichtigsten Wunsch nicht erfüllen konnte. Aber tote Kaninchen zum Leben zu erwecken, liegt einfach nicht in meiner Macht, obwohl dein Hoppel so ein aufgeweckter kleiner Kerl war.“

Ich bin völlig fassungslos. Woher weiß er das? Das kann doch niemand wissen. Ich hatte den Brief nicht mal meinen Eltern gezeigt! Sprachlos kneife ich mir in die Hand, aber ich träume nicht. Er muss wirklich der Weihnachtsmann sein. Der richtige Weihnachtsmann und er sitzt allen Ernstes in meinem Lieblingssessel. Was will er wohl? „Jetzt fragst du dich gerade, was ich ausgerechnet bei dir will.“ Mir versagt die Sprache und ich nicke nur.


Teil 2: Der Auftrag

Der Weihnachtsmann betrachtet mich eine Weile schweigend, aber er scheint es nicht eilig zu haben, mir zu sagen, warum er zu mir gekommen ist. Die Stille wird mir langsam unangenehm, ich fange an, nervös an meinen Fingern herumzuspielen und frage mich, was jetzt wohl kommt. Was will er hier? Warum kommt er ausgerechnet zu mir? Hab ich vielleicht was falsch gemacht? Er meinte, ich hätte ihn gerufen, weil ich nicht an ihn glaube. Ist er jetzt vielleicht sauer auf mich? Weinhachtsmänner sollen ja auch immer Ruten bei sich haben. Während ich so vor mich hin grübele, seufzt der alte Mann vor mir tief, er zögert noch einen Moment und plötzlich bricht ein ganzer Redeschwall aus ihm heraus, den er wohl schon lange aufgestaut hatte.

„Weißt du eigentlich wie leid ich es bin, Jahr ein Jahr aus die Wunschzettel einzusammeln, die Geschenke zu bauen und einzupacken und den Kram in der ganzen Welt zu verteilen? Und das alles auch noch an einem Abend. Das ganze Jahr über hetze ich mich ab, nur um am 24. alles pünktlich abzuliefern.“ Der Weihnachtsmann sieht jetzt ziemlich fertig und frustriert aus. Ich will etwas sagen, doch er redet schon weiter: „Und was erhält man zum Dank, ungläubige Menschen, ich kann nicht mehr!!! Der Stress und der ganze Firlefanz sind nichts mehr für mich. Weihnachten fällt dieses Jahr aus, ich gehe in Rente. Sagen doch eh immer alle, dass ich ein alter Mann bin und es glaubt keiner an mich. Und wenn keiner an mich glaubt, dann gibt es mich halt auch nicht mehr.“

Ich merke, wie mein Mund offen steht. Nun komme ich endlich zu Wort: „Aber das geht doch nicht, du kannst doch nicht einfach aufhören.“ „Klar kann ich aufhören“, antwortet er, „du gehst doch auch nicht ohne Anerkennung und Lohn arbeiten. Wer will das schon? Und was bekomme ich dafür? Gar nichts! Kein Dankeschön, nichts! Stattdessen höre ich so Leute wie dich, die meinen, mich gibt es nicht!“ Ich überlege kurz und mir wird klar, dass er gar nicht so Unrecht damit hat. Ich habe nie an ihn geglaubt und da bin ich nicht der Einzige. Der Weihnachtsmann tut mir plötzlich schrecklich leid und ich höre mich zaghaft stammeln: „Dann müssen wir die Leute eben wieder davon überzeugen, dass es dich gibt.“ Der Weihnachtsmann entgegnet spöttisch: „Ach, und das sagt ausgerechnet einer von denen, die am allerwenigsten an mich geglaubt haben?“

Schuldbewusst schaue ich zu Boden und murmele leise: „Naja, jetzt hast du mich ja vom Gegenteil überzeugt.“ „Dann überzeuge du doch die anderen Menschen, wenn es dir so viel Spaß macht. Ich sage dir gleich, dass du damit keinen Erfolg haben wirst. Die wollen doch gar nicht an mich glauben. Vor allem die Erwachsenen, das sind die Schlimmsten. Aber wenn du es bis zum 24. Dezember um 12:00 Uhr doch schaffen solltest, so viele Menschen wie möglich davon zu überzeugen, dass es mich gibt, dann verteile ich weiter meine Geschenke. Schaffst du es nicht, bleib ich bei dir und geh in Rente. Der Sessel hier ist sehr bequem und du kannst bestimmt auch ausgezeichnet kochen. Ich hab gehört, du hast zwei nette Kinder, Felix und Lisa. Vielleicht kann ich ja eine Partie Mensch ärgere dich nicht mit ihnen spielen. Oder Monopoly: Da gewinne ich meistens.“

Bevor ich antworten kann, wird der Schlüssel im Schloss gedreht und Anna und die Kinder stehen in der Tür. „Hallo Anna“, sagt der Weihnachtsmann, „schön, dass ich dich endlich persönlich kennen lerne. Und das sind wohl Felix und Lisa. Danke für euren schönen Wunschzettel, nur leider werden eure Wünsche dieses Jahr nicht in Erfüllung gehen.“ Verwundert schaue ich zu Anna und frage mich, warum sie gar nicht erstaunt wirkt, hier den Weihnachtsmann sitzen zu sehen. Aber meine Frau hat schon immer behauptet ,an den Weihnachtsmann zu glauben, was ich ihr bisher nie abgenommen habe. Während ich vor mich hin grübele, geht Anna zielstrebig auf den Weihnachtsmann zu und umarmt ihn herzlich. „Wieso denn keine Geschenke?“, fragt sie, „Was ist los? Ist was mit deinem Schlitten nicht in Ordnung?“

„Ach, das erzähl ich dir später.“, antwortet der Weihnachtsmann. Er scheint seinen Ärger für einen Moment vergessen zu haben und betrachtet mit einem warmen Lächeln und leuchtenden Augen unsere Kinder. „Jetzt stell mir doch erst mal deine bezaubernden Kinder vor. Hallo Felix, hallo Lisa!“ Verschüchtert suchen Felix und Lisa Schutz hinter Mamas Mantel. „Na, kommt schon her, ich tue euch nichts, setzt euch mal auf meinen Schoß und erzählt mir, wie es in der Schule war. Habt ihr immer noch Ärger mit den Nachbarskindern?“

Während meine sonst so schüchternen Kinder plötzlich sehr schnell auftauen, sich links und rechts auf den Schoß des Weihnachtsmannes setzen und ihm munter von den Ereignissen des Tages berichten, erkläre ich Anna, warum der Weihnachtsmann hier ist und es dieses Jahr vielleicht keine Geschenke geben wird. Entschlossen entgegnet Anna: „Na, so weit dürfen wir es nicht kommen lassen. Wir müssen eine Möglichkeit finden, die Leute davon zu überzeugen, dass es den Weihnachtsmann wirklich gibt.“ Schnell holt sie Zettel und Stift und fängt an sich Ideen zu notieren.

Dann fasst sie unsere Pläne zusammen: „Also, Felix und Lisa werden mit den Kindern in der Schule sprechen und wir könnten ja auf dem nächsten Elternabend die Eltern überzeugen.“ „Genau“, meine ich, „dann wenden wir uns gleich an die Radiostation und die Zeitungen, um so viele Menschen wie möglich zu erreichen.“ „Ja“, entgegnet Anna, „wichtig ist heutzutage noch der Weg über das Internet. Wir verfassen eine gute Kettenmail und leiten sie an Freunde und Bekannte weiter, die sie wiederum an ihre Freunde weiter schicken. Dann richten wir noch so schnell wie möglich eine Webseite im Internet ein.“ Da sehe ich aus den Augenwinkeln, dass der Weihnachtsmann leise in die Küche geschlichen ist und bei so viel unerwartetem Eifer gerührt schmunzelt.

Teil 3: Der Plan wird in die Tat umgesetzt

     Nachdem wir uns stundenlang den Kopf darüber zerbrochen haben, wie wir dem Weihnachtsmann denn nun am Besten helfen können, macht Anna erst mal eine große Portion Spaghetti für uns alle. Nach dem Essen richten wir dem Weihnachtsmann unser Gästebett her und versorgen mit ihm seine Rentiere, die wohl oder übel in der Garage übernachten müssen. Besonders das verwöhnte Rentier Rudolph mit der roten Nase murrt unzufrieden vor sich hin.

„Ach Chef“, sagt er zum Weihnachtsmann, „ hier ist es echt nicht so gemütlich wie zu Hause! Die Spaghetti waren ja schön und gut, aber viel zu wenig. Und dann gab’s nicht mal Nachtisch. Ich will nach Hause! Was wollen wir hier überhaupt. Nur weil du grad ständig schlecht drauf bist.“ Der Weihnachtsmann tätschelt lächelnd Rudolphs Nase. „Ach mein Guter, du weißt doch, dass es mir seit einiger Zeit nicht so gut geht, weil kaum ein Mensch an mich glaubt.“ Rudolph erwidert nur:  „Was willst du denn noch? Tom und Anna glauben doch an uns!“ Während die beiden noch so vor sich hin diskutieren, schmunzeln wir vier uns zu und gehen schon mal schlafen.

Am nächsten Morgen gebe ich meinen Kindern beim Frühstück Anweisungen, wie sie die anderen Kinder in der Schule von der Existenz des Weihnachtsmannes überzeugen können. Dann machen wir uns alle zusammen auf den Weg. Heute bringen wir die Kleinen schon zehn Minuten früher in die Schule, weil wir vor dem Unterricht noch ihre Klassenlehrerin, Frau Grisella, abfangen wollen, um sie zu fragen, ob wir das Thema beim Elternabend in zwei Tagen ansprechen dürfen.

Wir haben Glück: Frau Grisella steht noch vor dem Schultor, zieht süchtig an ihrer langen Zigarette und schaut grimmig vor sich hin. „Guten Morgen Frau Grisella“, fange ich an, „hätten Sie vielleicht kurz Zeit?“ „Morgen. Klar, aber nur fünf Minuten. Worum geht es?“ Anna übernimmt das Wort: „Gestern Abend kam bei uns der Weihnachtsmann an und dem geht es gar nicht gut, weil niemand mehr an ihn glaubt. Er will so einfach nicht mehr weiter machen und somit könnte Weihnachten dieses Jahr ausfallen. Deshalb haben wir ihm versprochen, dass wir versuchen werden die Leute wieder dazu zu bringen, an ihn zu glauben. Könnten wir das Thema vielleicht auf dem Elternabend ansprechen?“

Alles geht schief

Frau Grisella sieht nun ziemlich verblüfft aus und schiebt ihre schwarze Brille zurecht, die ihr ein sehr strenges Aussehen verleiht. Wie eine Hexe, sagen meine Kinder immer. „Bitte was?“ sie verschluckt sich am Rauch ihrer Zigarette und hustet mir ungeniert ins Gesicht. „Der erste April ist doch schon längst vorbei.“ „Frau Grisella“, stammele ich los, „das soll kein Scherz sein. Auch wenn es schwer zu glauben ist: Den Weihnachtsmann gibt es wirklich und wir müssen ihm helfen.“ Anna nickt eifrig.

Frau Grisella zieht uns eilig in eine Ecke und wettert los: „Also, Herr und Frau Meier, wenn Sie mich nicht zum Narren halten wollen, müssen Sie beide völlig übergeschnappt sein. Den Weihnachtsmann gibt es nicht. Basta. Darüber brauchen wir gar nicht länger zu diskutieren. Und genau deshalb können Sie beim nächsten Elternabend sicherlich nicht mit Ihrer komischen Geschichte ankommen! Haben wir uns verstanden!“

Anna und ich gucken sie nur verwundert an. Wir wussten gar nicht, dass die Klassenlehrerin unserer Kleinen so unfreundlich ist. Als wir nicht antworten, entgegnet sie kühl: „Gut, wie ich sehe, haben wir uns verstanden. Wenn nicht, müssen wir uns wohl ernsthaft Sorgen über Ihren Geisteszustand und Ihre Erziehungsmethoden machen. Auf Wiedersehen“ Sie reckt ihre spitze Nase in die Luft und stolziert zügig zum Schuleingang.

Enttäuscht gehen wir nach Hause und berichten dem Weihnachtsmann von dem Vorfall. Der ist gar nicht erstaunt: „Was habe ich euch gesagt? Keiner will an mich glauben. Das wird doch nichts.“ Anna erwidert: „Ach, jetzt lasst uns doch erst mal abwarten, was die Kinder in der Schule erreichen. Sie überzeugen bestimmt viele Mitschüler.“ „Genau“, pflichte ich ihr bei, „und in der Zwischenzeit wenden wir uns an die Zeitungen und Zeitschriften. Dort können wir einen Artikel veröffentlichen. Damit erreichen wir sowieso mehr Leute als beim Elternabend.“

Ein Lichtblick

Während Anna sich an einen Hilferufartikel setzt, den sie auch ins Internet stellen will, telefoniere ich das ganze Telefonbuch hoch und runter, um sämtliche Zeitungen und Zeitschriften zu erreichen. Doch immer wieder heißt es: „Nein, kein Interesse“, „Geht es Ihnen gut?“, „Sind Sie noch ganz bei Trost?“ und einige hören mir gar nicht erst zu und drücken mich einfach weg. So langsam schwindet meine Geduld. „Das scheint ja wirklich eine unlösbare Aufgabe zu sein.“ Der Weihnachtsmann schüttelt traurig den Kopf.

Als ich beim Buchstaben „Z“ angelangt bin, habe ich die Hoffnung eigentlich schon aufgegeben. Doch bei der allerletzten Nummer meldet sich ein netter Mann, der mir auch bis zum Schluss zuhört. Ich bin völlig verblüfft, als der Redakteur meint: „Großartig Herr Meier! Das wird der Knaller in unserer nächsten Ausgabe, das fehlt uns wirklich noch!“ „Ehrlich?“, frage ich. „Na klar!“, antwortet der Redakteur, „Könnte ich vielleicht mal bei Ihnen vorbeischauen und den Weihnachtsmann persönlich kennenlernen? Das würde unsere Leser bestimmt interessieren.“ Mit so einer positiven Antwort habe ich nicht mehr gerechnet.

Das Schulfest fällt aus

Felix und Lisa haben ihren besten Freund Alex zum Essen mitgebracht. Die drei sehen nicht sehr erfreut aus und ziehen ein langes Gesicht. „Was ist denn mit euch los?“, fragt Anna. Niedergeschlagen antwortet Felix: „Ach, voll viele Kinder wollten uns nicht glauben und haben uns einen Vogel gezeigt.“ Lisa wirft ein: „Manche haben uns aber auch geglaubt.“ „Ja, die aus der ersten Klasse, aber das sind ja alles Babys.“ „Ich bin kein Baby!“ ruft Lisa empört. Bevor es zu größeren Auseinandersetzungen kommt, schlichtet Anna den sich anbahnenden Streit.

„Es ist doch nicht schlimm, wenn ihr nicht so viele Kinder überzeugt habt.“ antworte ich, „aber ihr seht so traurig aus. Gibt es noch ein Problem? Na los, erzählt schon!“ Felix stammelt los:“ Naja, die Mathearbeit ist nicht so gut ausgefallen und Frau Grisella hat gesagt, dass deshalb das Weihnachtsfest in der Schule ausfällt. Und wir hatten uns doch schon so gefreut.“ Alle drei Kinder schmollen und Alex fängt sogar an zu weinen.

Teil 4: Neue Pläne werden geschmiedet

Ich wundere mich darüber, dass Alex gar nicht aufhört zu schluchzen. Auch Anna schaut irritiert zu mir herüber. „Was hast du denn Alex? Weinst du jetzt wegen der schlechten Mathenote oder weil das Schulfest ausfällt“, fragt Anna. Alex schluckt und antwortet mit tränenerstickter Stimme: „Wegen dem Schulfest.“ „Aber euer Weihnachtsfest zu Hause wird bestimmt viel schöner als das in der Schule.“ Alex wischt sich die Tränen mit dem Ärmel weg. „Nein! Meine Eltern feiern nie, nicht mal meinen Geburtstag. Die sind nur mit sich selbst beschäftigt. Mama übernimmt wie jedes Jahr die Nachtschicht im Krankenhaus, damit sie Silvester frei hat und feiern kann. Und Papa ist in der Kneipe mit seinen Kumpels. Ich glaube, die sind immer nur am Trinken. Und wenn in der Schule das Weihnachtsfest auch ausfällt, dann habe ich gar nichts mehr. Ich hasse Frau Grisella.“

Alle schauen mitleidig auf Alex und Anna streicht ihm liebevoll über den Kopf. „Aber Mama, Papa, Alex kann doch bei uns feiern. Der Weihnachtsmann freut sich bestimmt auch über jeden weiterem Gast und wir sind mehr Leute für unseren Spieleabend an Weihnachten.“, rufen Lisa und Felix durcheinander. Anna und ich zögern. „Meinst du denn, Alex‘ Eltern finden das in Ordnung?“, frage ich Anna „Na, was sollen sie denn dagegen haben, wenn sie eh nicht da sind?“ ruft Lisa keck in die Runde.

„Da hast du auch wieder Recht.“ Anna und ich nicken zustimmend. „Also gut, wenn das so ist, kann Alex natürlich gerne bei uns feiern.“ sage ich, „aber frag vorher nochmal deine Eltern Alex. „Klar, mach ich!“ Alex guckt uns mit strahlenden Augen an und sagt: „Das ist ja super cool. Kann ich meine kleine Schwester auch mitbringen?“ „Natürlich“, antwortet Anna, „das ist doch kein Problem!“

Das Schulfest fällt doch nicht aus

„Mensch Tom“, meint Anna, „wollen wir nicht vielleicht das Schulfest bei uns veranstalten? Vielleicht gibt es noch mehr Schüler, so wie Alex, die kein Weihnachtsfest haben.“ Ich pflichte ihr bei: „Du hast Recht mein Schatz. Denk doch mal an die Heimkinder, die auf der Schule sind, die sind bestimmt auch traurig, wenn sie kein Weihnachtsfest mit ihren Schulkameraden feiern können.“

„Wann soll denn das Fest eigentlich stattfinden?“, überlegt Anna, „wie wäre es am 22.12. zwei Tage vor Weihnachten?“ „Das ist eine gute Idee!“, freue ich mich, „Felix, Lisa, Alex, ladet morgen alle Kinder der Schule ein, die Lust und nichts anderes vorhaben. Sie sollen mit uns die Vorweihnachtsfreude genießen.“

Die Kinder freuen sich und hüpfen durch den Raum. Da hört Alex plötzlich auf und sieht sich fragend um: „Wo ist denn jetzt eigentlich euer Weihnachtsmann? Ich hab ihn noch gar nicht gesehen. Meint ihr, der mag mich auch?“ „Bestimmt!“, antwortet Felix und zieht ihn mit sich in Richtung Garage, wo der Weihnachtsmann seine Rentiere versorgt. Das ganze geht so schnell, dass wir gar nicht reagieren können.

Anna und ich gucken auf die Uhr und uns fällt auf, dass es schon sehr spät geworden ist. Wir schlendern also auch zur Garage, um die drei Kleinen ins Bett zu scheuchen. Die drei tummeln sich gerade begeistert um den Weihnachtsmann und erzählen ihm, dass das Weihnachtsfest der Schule bei uns zu Hause stattfinden wird. Der Weihnachtsmann und Rudolph freuen sich.

„Super“, wiehert Rudolph, „da gibt’s bestimmt richtig viel zu Essen. Na Chef, schau mal, wenn so viele Kinder kommen und dich sehen, da können sie doch nur noch an dich glauben.“ Der Weihnachtsmann überlegt kurz: „Du hast recht Rudolph, ich freue mich auch schon auf das Fest. Lassen wir es krachen!“ „Tut mir leid Jungs und Mädels“, mische ich mich ein, „aber es ist schon spät und morgen ist noch ein Tag Schule. Also ab ins Bett jetzt.“ „Tom hat Recht.“, meint der Weihnachtsmann und trägt die drei ins Bett.

Der Schock

Am nächsten Morgen sitzt der Schock tief, als wir die Zeitung aufschlagen und sehen, wo unser Artikel gelandet ist. „Mensch Tom“, seufzt Anna, „der blöde Redakteur hat unseren Artikel in der Rubrik Der Scherz des Tages veröffentlicht. Das kann doch nicht sein, der hat uns gar nicht ernst genommen. Und schau mal, was er noch drunter geschrieben hat.“ Anna liest vor: „Anna und Tom sorgen heute für den besten Witz des Tages, dabei sollte man doch meinen, dass heutzutage jeder weiß, dass es den Weihnachtsmann nicht gibt. Scheinbar sind die beiden die einzigen, bei denen das noch nicht angekommen ist.“

Empört will ich beim Redakteur anrufen, doch Anna hält mich kopfschüttelnd zurück: „Ach lass Tom, das hat doch keinen Sinn, der macht sich nur noch mal über uns lustig. Ich glaube auch das mit dem Radiosender und der Kettenmail können wir sein lassen, wenn die Leute immer so reagieren. Lass uns lieber auf das Weihnachtsfest konzentrieren, wir wollen den Kindern schließlich eine Freude machen.“ Ich stimme ihr zu: „Du hast ja so Recht Anna, es ist wichtiger, dass wir allen Kindern der Schule ein schönes Weihnachtsfest bereiten, anstatt der ganzen Welt hinterher zu rennen, die uns sowieso nicht zuhören will.“

Nachdem wir den Schock verdaut haben, machen wir uns an die Vorbereitung für das bevorstehende Weihnachtsfest. Es gibt ja so viel zu tun. Wir fahren mit dem Weihnachtsmann in das große Einkaufszentrum im Zentrum der Stadt, weil wir dort auf jeden Fall alles bekommen werden, was wir brauchen. Kaum sind wir angekommen, merken wir, dass das so kurz vor Weihnachten wohl keine gute Idee war.

     Die ganze Stadt scheint sich im Zentrum versammelt zu haben, um auf den letzten Drücker ihre Besorgungen für das Weihnachtsfest zu machen. Wir brauchen eine halbe Stunde, bis wir endlich einen Parkplatz gefunden haben. Dem Weihnachtsmann wird schon ganz schwindlig vom ständigen Hin- und Herfahren.

Im Laden warten wir eine weitere Viertelstunde, bis wir einen leeren Wagen ergattern können. Und dann stürzen wir uns zu dritt in die wühlenden Menschenmassen.

Teil fünf: Das Weihnachtsfest

Im Einkaufszentrum hält sich Anna streng an unseren langen Einkaufszettel und klappert die Regalreihen ab. Währenddessen guckt sich der Weihnachtsmann überall neugierig und interessiert um. „Ist das groß“, ruft er begeistert, „ich war noch nie in einem Einkaufscenter!“ Er schaut sich alles ganz genau an und kommt ins Grübeln. Plötzlich verfinstert sich sein Gesicht. „Was hast du denn, Weihnachtsmann? Gerade eben hast du dich doch noch so gefreut.“, sage ich.

„Ach“, seufzt er, „hier gibt es ja so viele Sachen  zu kaufen. Wenn die Menschen hier alles kaufen können, bin ich ja wirklich überflüssig. Sie brauchen niemanden, der ihnen die Geschenke baut und bringt. Ihr habt ja schon alles.“ Ich tröste ihn: „Das stimmt doch gar nicht. Deine Geschenke sind dafür was ganz Besonderes, weil sie von Herzen kommen. Und du bekommst ja auch alle Wunschzettel und weißt genau, was wir Menschen uns gewünscht haben. Wir schenken uns gegenseitig immer nur unnötigen Kram oder haben die Geschenke schon Tage vorher abgesprochen. Wo bleibt denn da die Überraschung?“

Der Weihnachtsmann mischt sich ein

Das scheint den Weihnachtsmann zu überzeugen. „Vielleicht hast du ja Recht. Nur ich weiß, was die Menschen sich wirklich wünschen.“ So macht er sich wieder daran, das bunte Treiben um ihn herum zu beobachten. Als wir am Spielzeugregal vorbei kommen, schaut er einer Frau über die Schulter und mischt sich ein.

„Nicht das rote, das gelbe Auto.“ Die Frau sieht ihn verwundert an: „Meinen Sie wirklich?“, fragt sie verunsichert. „Natürlich. Haben Sie denn den Wunschzettel nicht richtig gelesen?“ „Mein Sohn schreibt schon lange keine Wunschzettel mehr.“, sagt sie mit einem ratlosen Blick auf das Autoregal. Der Weihnachtsmann schmunzelt: „Na, wenn Sie sich da mal nicht irren.“ Als wir weiter gehen, sehe ich, wie die Frau schnell das rote gegen das gelbe Auto austauscht.     Eine Reihe weiter hören wir, wie sich ein Pärchen über die Qualität eines Teddys beschwert: „So etwas habe ich noch nicht gesehen. Einmal angefasst und schon fällt dem Teddy das Auge raus.“ Der Weihnachtsmann nimmt dem verblüfften Mann den Teddy aus der Hand, betrachtet ihn abwertend und stellt ihn zurück ins Regal. „Also, wenn Sie sich auf mich verlassen würden, dann hätten Sie diese Probleme nicht.“ Der Weihnachtsmann ist jetzt ganz in seinem Element und argumentiert mit Kennermiene weiter: „Ich habe in meiner Werkstatt viel bessere Teddys. Bei meinen Weihnachtselfen dulde ich solche Schlampereien nicht.“ Anna zieht ihn von dem erstaunten Pärchen weiter zur Kasse.

Der Weihnachtsmann ist echt

Auf dem Weg dahin berät der Weihnachtsmann noch weitere Kunden, die ihm über den Weg laufen. Während er eifrig seine Geschenktipps verteilt, beobachtet ihn ein kleines Mädchen mit blonden Zöpfen und einer roten Mütze. An der Kasse klammert sie sich an seinen roten Mantel und sagt: „Hallo. Bist du vielleicht der echte Weihnachtsmann?“

„Ja, ich bin der Weihnachtsmann.“, antwortet dieser mit tiefer, freundlicher Stimme. „Aber meine Mama sagt, dass der Weihnachtsmann da hinten an der Ecke auch nicht echt ist.“ Da klopft sich der Weihnachtsmann auf seinen dicken Bauch und sagt: „Aber schau mich doch mal richtig an. Ich sehe doch ganz anders aus. Der da drüben hat ja einen ganz gelben Bart und er trägt Turnschuhe unter seinem Mantel.“ „Stimmt“, meint die Kleine, „darf ich mal an deinem Bart ziehen?“ „Na klar, aber bitte nicht so fest.“ sagt der Weihnachtsmann und bückt sich zu ihr herab. Das Mädchen zieht einmal kräftig am Bart und hüpft aufgeregt auf und ab: „Der ist ja wirklich echt.“

Plötzlich schreit sie los: „Schaut mal! Hier steht der richtige Weihnachtsmann! Ich hab´s getestet. Der ist echt!“ Mir ist das ganze sehr peinlich. Jetzt wird uns der halbe Laden anstarren. Gleichzeitig wird mir klar, dass sich hier plötzlich die Chance eröffnet, dass wir unserem Ziel nach den vielen Fehlschlägen doch noch ein Stück näher kommen. Mir bricht der Schweiß aus und mein Herz pocht vor Aufregung, aber die vorbei laufenden Menschen schauen nur kurz zu uns herüber, bevor sie schnell weiter eilen und sich wieder auf ihre Einkäufe konzentrieren. Nachdem wir gezahlt haben, packen wir unsere Sachen ins Auto und fahren nach Hause.

Das große Fest

Zu Hause angekommen fangen wir sofort an zu kochen und alle helfen mit, das Haus zu schmücken. Bis morgen muss alles fertig sein. Uns fällt auf, dass der Weihnachtsmann seit dem Einkauf viel zufriedener wirkt und freuen uns, dass er fleißig mit anpackt. Am Abend haben wir die wichtigsten Sachen erledigt und können mit ruhigem Gewissen schlafen gehen.

Am nächsten Morgen machen wir uns an den Rest der Vorbereitungen. Als wir fertig sind, gehen wir noch einmal durch alle Zimmer und betrachten unser Werk. Das ganze Haus sieht einfach prächtig aus. Zur Mittagszeit trudeln die ersten Gäste ein, unter ihnen auch Alex und seine kleine Schwester Sophie. Anna macht die Weihnachtsmusik an und der Weihnachtsmann begrüßt mit einem freudigen „Ho ho ho!“ die Gäste an der Tür. Uns fällt auf, dass viele Kinder auch ihre Eltern mitgebracht haben. Als alle da sind, wird das Buffet eröffnet.

Nach dem Essen, das wirklich lecker war, spielen wir ein paar Spiele und singen Weihnachtslieder. Danach versammeln sich alle bei Rudolph und den anderen Rentieren in der Garage, wo wir einen schönen Weihnachtsbaum aufgestellt haben. Obwohl es sehr eng ist, passen alle rein. Da kommt der Weihnachtsmann mit einem bunten Weihnachtself herein, der einen großen Sack hinter sich herschleift.

Der Weihnachtself meckert mit krächzender Stimme: „Mann Chef, das sind aber viele Geschenke, dafür dass du Weihnachten dieses Jahr ausfallen lassen wolltest.“ Der Weihnachtsmann ermahnt ihn  zur Ruhe: „ Jetzt mecker hier nicht so viel rum und sag Hallo zu unseren Gästen.“ Der kleine Wicht setzt wie auf Bestellung ein strahlendes Grinsen auf und ruft: „Hallo allerseits!“

Da meldet sich der Weihnachtsmann zu Wort: „Ho ho ho! Ich wünsche euch allen frohe Weihnachten und ein gesegnetes Fest!“ Die Kinder gucken ihn mit großen Augen an. „Wer von euch glaubt noch an den Weihnachtsmann?“, fragt er. Die meisten Kinder heben die Hand, während die Eltern nur vor sich hin schauen. „Seht ihr, liebe Kinder, eure Eltern glauben nicht an mich. Und genau aus diesem Grund wäre Weihnachten fast ausgefallen. Ich konnte es einfach nicht mehr ertragen, dass fast niemand an mich glaubt. Aber wenn ich sehe, wie glücklich ihr Kinder seid, wenn ihr mich seht und mit mir sprecht, dann wird mir ganz warm ums Herz. Genug der Worte, ich sehe eure Aufregung. Jetzt kommen die Geschenke.“

Und so verteilt er eifrig viele bunte Geschenke an die fröhlichen Kinder. Während Rudolph und der Weihnachtself ein paar Runden mit den Kindern im großen Schlitten des Weihnachtsmannes drehen, nehmen Anna und ich den Weihnachtsmann zur Seite. Anna beginnt: „In deiner Rede hast du gesagt, dass das Weihnachtsfest jetzt doch nicht ausfällt. Aber wir haben es doch gar nicht geschafft, die Erwachsenen von deiner Existenz zu überzeugen.“ „Ich weiß“, antwortet der Weihnachtsmann mit einem Grinsen im Gesicht, „aber merkt ihr nicht, wie alles sich verändert hat, wie ihr euch verändert habt? Ihr habt euch richtig stark für mich eingesetzt und so viel auf die Beine gestellt. Schaut euch mal die Kinder an. Diese strahlenden Augen zeigen mir, dass ich doch noch gebraucht werde, auch wenn viele Erwachsene meinen, dass es mich nicht gibt. Es zählen eben auch die kleinen Dinge im Leben.“ Anna und ich sind ganz ergriffen und fallen dem echten Weihnachtsmann um den Hals.

Als sich die Runde langsam auflöst, kommen Eltern auf uns zu und beglückwünschen uns zu der gelungenen Feier. Eine Mutter sagt: Ach, das war wirklich ein schönes Fest. Das tolle Essen und der schöne Baum! Am besten hat uns euer engagierter Weihnachtsmann gefallen. Wo habt ihr den denn her? Den mieten wir uns nächsten Jahr auch, nicht wahr, Harry?“, und knufft ihren Mann in die Seite.

Bevor wir antworten können, hören wir Rudolph hüsteln und den Weihnachtself laut johlen, während sich der große Schlitten mit dem Weihnachtsmann in die Lüfte erhebt. Mit einem Blick auf die fassungslosen Gesichter in unserer Runde, denke ich mir, dass wir unser Ziel womöglich doch erreicht haben. Ende

Verwandte Artikel

Begin typing your search term above and press enter to search. Press ESC to cancel.

Zurück nach oben