Erziehung zur Selbständigkeit

Unabhängigkeit im Alltag – Erziehung endet erst mit 18

Wirklich selbstständig ist man nur dann, wenn man sich nie auf andere verlassen muss. Aus diesem Grund ist es nie zu früh, dem Nachwuchs Tricks und Kniffe des Erwachsenenlebens beizubringen.

Es ist eine Selbstverständlichkeit. Irgendwann will der Filius sich selbst die Schuhe zumachen, will die Prinzessin sich ohne Mamas Hilfe duschen – und die meisten Eltern unterstützen solche Selbstständigkeitsbestrebungen, denn sie gehören zum Aufwachsen dazu. Doch wenn die Kids ein bestimmtes Alter überschritten haben, war es das oft mit der elterlichen Hilfe. Wäsche machen, Dinge reparieren, Essen zubereiten oder ein Konto eröffnen – für solche Bausteine, die im Erwachsenenleben ebenso wichtig sind, wie gebundene Schuhe, fehlt leider oft der Wille. Manche sehen die Erziehungsaufgabe für solche Inhalte aufseiten der Schule, andere agieren nach der Devise „dazu ist sie noch zu jung“. Und beide Charaktere wundern sich dann, dass der Spät-Teen oder Tween zu einem Mitglied der „Generation Nabelschnur“ wird, das nicht in der Erwachsenenwelt zurechtkommt.

Ein unselbstständiges Problem

Die Wurzel ist hier leider bei den Eltern zu suchen. Zu viele möchten ihr Kind vor den unangenehmeren Seiten des Erwachsenwerdens schützen. Primär ist das verständlich und es ist auch nichts dagegen einzuwenden, ein Kind behütet aufwachsen zu lassen. Wenn darunter jedoch ein großer „Seitenarm“ der Erziehung leidet, wird ein Kind verzogen statt erzogen – und findet sich dereinst in einer Welt, auf die es niemand vorbereitet hat. Ein solcher Sprung ins kalte Wasser ist mitnichten heilend, sondern der Beginn vieler Probleme.

  • Unfähigkeit, eigene Entscheidungen zu treffen
  • Dauerhaftes Angewiesen sein auf andere
  • Anfälligkeit für „falsche Freunde“ und Personen, die ausnutzen

Kurzgesagt führt Unselbstständigkeit zu mangelndem Selbstvertrauen und daraus resultierenden Folgen wie Angststörungen, Klammern und der Unfähigkeit, Eigenverantwortung zu übernehmen. Natürlich soll dies kein Aufruf sein, eine Fünfjährige zu erklären, wie man Überweisungen macht. Aber zu guter Erziehung gehört eben, zu jedem Lebensalter einem Kind die weniger angenehmen oder langweiligen Lebensrealitäten nahezubringen. Das hat nichts mit glücklicher Kindheit zu tun, sondern schlicht einer am Realismus ausgerichteten Erziehung.

Eltern sollten dabei nicht glauben, hier Erziehungsverantwortung auf die Schule abwälzen zu können. Dort hat man schon alle Hände voll zu tun, schulisches Grundwissen zu vermitteln – Dinge wie Steuererklärungen, Behördengänge oder Haushaltsführung haben da, so gern es viele auch hätten, schlicht keinen Platz.

Keine Angst vorm Erziehen

Wichtig ist, dass Eltern nicht mit Angst an die Sache herangehen – Erziehung muss auch in diesen Gebieten spielerisch erfolgen, um Erfolg zu haben. Ein Grundschüler kann ohne weiteres mit kleineren Haushaltsaufgaben betraut werden, etwa:

  • Zusammenlegen von Wäsche
  • Tisch decken / abräumen
  • Hilfe bei Koch-Vorbereitungen
  • Aufräumen von Spielzeug
  • Mithilfe beim Reinigen (Staubsaugen, Wischen etc.)

Ziel muss immer sein, dass das Kind selbst merkt, welche Aufgaben Erwachsene alltäglich zu absolvieren haben – nicht nur dabei zusieht. Das ist auch gut für für das Verständnis – Saubere Teller kommen eben nicht nur aus der Maschine, sondern nur, weil die dreckigen dort eingeräumt und die Maschine mit Tabs und Knopfdrücken zum Laufen gebracht wurde.

Hier sollten Eltern sich nicht vor „Getuschel“ fürchten. Vielleicht sehen es andere Eltern als verfrüht an – deren Kids werden sie jedoch weder im Haushalt entlasten noch selbst als Erwachsene mit einer solchen Natürlichkeit einen Haushalt schmeißen. Übrigens gilt bei diesem Prinzip auch, dass die Erziehungsmaßnahmen umso einfacher werden, je früher man damit beginnt – ein Teenager, der nie lernte, seine Schmutzwäsche selbst zu sortieren und in die Maschine zu befördern, wird viel schwerer aus dieser „Komfortzone“ herauskommen als einer, der schon als Grundschüler mit Papa Socken sortierte.

Lesson 1: Essen zubereiten

Mahlzeiten kommen weder aus dem Restaurant, noch vom Lieferservice. Und hier bietet sich eine der frühesten Möglichkeiten, ein Kind ans Erwachsenenleben heranzuführen. Indem es sieht, wie aus Zutaten ein Essen wird. Haupt-Augenmerk sollte dabei Sicherheit sein.

Zutat + Zutat = Lecker. Kochen ist vielleicht die spielerischste Methode, um den Kids was fürs Erwachsenenleben mitzugeben. 

Ein Kind muss also zunächst lernen, dass die Herdplatte heiß wird, dass ein Messer scharf ist, dass Fett in der Pfanne auch spritzt. Was zum Ausbildungsinhalt gehören sollte:

  • Warum Essen gekocht/gebraten werden muss, um lecker zu werden
  • Gemüse putzen
  • Teig kneten
  • Die Bedeutung von Garzeiten
  • Gewürze und Geschmack

Selbst kleine Kinder können schon dadurch lernen, indem sie beobachten und Schritte erklärt bekommen. Später kann auch der Einkauf in dieses Spiel integriert werden, gefolgt von ersten Schritten im Zubereiten (etwa Auspacken von Zutaten, Abschmecken etc.). Eine gute Hilfe dabei sind Rezepte speziell für Kinder. Gut vorbereitet kann auf diese Weise ein junger Teenager, theoretisch und praktisch, ein eigenes Mahl zubereiten.

Lesson 2: Reparaturen

Handwerker kosten immer Geld – bei der Erziehung hin zu einem Menschen, der mit Geld umgehen kann, bekommt also auch die Fähigkeit, Dinge ohne einen solchen teuren Profi reparieren zu können, einen besonderen Stellenwert. Doch sollte nicht nur der Spargedanke im Vordergrund stehen, sondern auch, dass Heimwerken ein Hobby ist und einem ermöglicht, sich ohne andere, tausende tolle Dinge selbst zu fertigen.

Schon Vorschulkinder können zumindest zuschauen und lernen – das ist nicht zuletzt dem technischen Verständnis zuträglich, weil es zeigt, dass alles Schulwissen auch eine praktische Anwendbarkeit besitzt (hier beispielsweise Abmessen und Berechnen von Längen aus der meist ungeliebten Mathematik). Einige Ausbildungsinhalte:

  • Arten von Werkzeug
  • Sicherheitsmaßnahmen
  • Bedeutung von Genauigkeit beim Messen
  • Funktionsweisen
  • Nähen und Flicken
  • Ordnung
  • Verstehen und Befolgen von Anleitungen

Wie schon in der Küche ist es am sinnvollsten, mit kindgerechten Projekten zu beginnen, etwa einer Seifenkiste oder einer Schaukel. Teenager können dann bei größeren Aufgaben eine echte Hilfe im Haushalt sein, etwa dem Lokalisieren und Beheben von Waschmaschinen-Problemen, Reparatur eines tropfenden Hahns oder verstopften Abfluss oder dem Aufbau eigener Möbel nach Bauplan. Und was ebenfalls auf den Unterrichtsplan gehört, ist die Tatsache, dass das Web heute für alles Mögliche genaue Anleitungen hergibt – und „wissen, wo was steht“ ist eine Fähigkeit, die bei praktisch jedem Lebensproblem hilft.

Lesson 3: Auf der Bank

Geld wächst nicht auf Bäumen, das wissen die meisten Kids. Doch erstaunlich wenige Jung-Erwachsene könnten ohne Eltern in einer Bank die notwendigen Dinge zwischen Kontoeröffnung und Auszügen erledigen. Die notwendigen Grundbegriffe des monetären Bereichs zwischen Geld, Kredit, PIN usw. können schon Grundschulkinder verstehen – und auch mitgenommen werden. Und dann gehört auf den Ausbildungsplan:

  • Was sind Überweisungen und wie werden sie getätigt?
  • Bedeutung von Sicherheit
  • Wie Kontoauszüge dabei helfen, den Überblick zu behalten
  • Kredite und Kreditwürdigkeit
  • Sparsamkeit

Auf diese Weise lernen Kinder nicht nur das generelle „Drumherum“ in einer Bank, sondern vor allem auch, mit Geld zu haushalten. Spätestens wenn eine Ausbildung begonnen wird, zahlt sich diese Erziehungsarbeit buchstäblich aus. Denn dann weiß ein so erzogener Jugendlicher bereits, wie er sein Geld enteilt – und hat ein sehr viel geringeres Risiko, in die immer häufiger werdende Jugend-Schuldenfalle zu geraten.

Lesson 4: Kleidung

Kleinkinder bekommen ihren Look von den Eltern diktiert – doch spätestens mit dem Beginn der Grundschule wird es Zeit, ihnen zu zeigen, dass Kleider nach wie vor Leute machen. Beginnen kann diese Erziehung schon damit, dass man dem Kind die Möglichkeit gibt, sich selbst Stücke auszusuchen. Und dann enthält der Lehrplan:

  • Farben, Muster und ihre Kombination
  • Kleidung und der richtige Anlass
  • Schnelllebige Fashion und zeitlose Mode
  • Markenwahn und Gruppenzwang

Besonders letzteres sollte vor der Pubertät gelehrt werden – dem Alter, in dem viele Kinder modisch rebellieren und durch Gruppenzwänge eine ungesunde Einstellung zu Markenbekleidung entwickeln. Natürlich gehört dazu auch, die Pflege der Kleidung nicht nur zu erklären, sondern das selbst machen zu lassen. Im Idealfall geht so die Erziehung in Sachen Haushaltsangelegenheiten nahtlos in Reparaturen und Kleidung über.


Teenie-Fashion-Victims verhindert man nur, indem man frühzeitig lehrt, dass große Namen und Marken meist nur überteuerter Pomp sind.

Lesson 5: Goodbye Hotel Mama

Keine Sorge, man muss seinem Achtjährigen nicht beibringen, dass er bald ausziehen muss. Aber mit Eintritt ins Teenageralter sind Kinder reif genug, zu verstehen, dass Hotel Mama nicht ewig ihr Zuhause bleiben wird. Wichtig ist das allein schon ob der Tatsache, dass heute über 70 Prozent der 20-24jährigen noch bei ihren Eltern lebt – 1972 waren es nur rund 20%.

Aus diesem Grund sollten junge Teenager zumindest an den Gedanken gewöhnt werden, dass das Elternhaus, selbst wenn sie bereits kräftig im Haushalt mit anpacken, ein Ablaufdatum hat –letztendlich zielen all die genannten Erziehungsmaßnahmen ja nur darauf ab, ein Kind als Erwachsenen auf eigenen Beinen im eigenen Haushalt stehen zu lassen. Die Ausbildungsinhalte sind demnach auch sehr realitätsbezogen:

  • Kalt- und Warmmieten
  • Wie man eine Wohnung findet
  •  Rechte und Pflichten
  • Vor- und Nachteile Mietwohnung / eigene Immobilie
  • Kleines Einrichtungs-Einmaleins
  • Nebenkosten und Sparsamkeit

Studien zeigen dabei, dass oft nicht die Kids die Bremser sind, sondern die Eltern – viele leiden unter zu starken Bindungsgefühlen, können nicht loslassen. Die Angst, als schlechte Eltern zu gelten, nur weil sie dem Kind die „warme Decke“ des elterlichen Nests entziehen, ist die finale Furcht, denn mit dem Auszug wird das Kind auch in den Augen seiner Eltern zum Erwachsenen. Hier liegt das Lernen aufseiten der Eltern – sie sind es, die verstehen müssen, dass der Auszug notwendig ist, wenn ein Kind wirklich selbstständig sein muss.

Wer glaubt, dass er sein Kind so lange wie möglich vor der „Welt da draußen“ schützen müsse, handelt zweifelsfrei aus hehren Zielen. Doch er sorgt nur dafür, dass sein Kind unselbstständig wird. Denn egal wie behütet man aufwächst, es kommt immer der Tag, an dem ein junger Erwachsener auf eigenen Beinen stehen muss. Je mehr ihm dieser Stand bereits seit Jahren in Fleisch und Blut steckt, desto leichter wird es fallen – und es dem Kind im Leben leicht zu machen, liegt im Sinn aller Eltern.

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